Rote-Kreuz-Chefin fordert mehr Geld für Bevölkerungsschutz
Gerda Hasselfeldt beim Ludwig-Erhard-Gipfel. Bild: WEIMER MEDIA GROUP
Deutschland muss mehr für den Bevölkerungsschutz tun, wie die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes fordert. Gerda Hasselfeldt verlangt zwei Milliarden Euro pro Jahr. Deutlich mehr als bisher. Die Regierung kürzt stattdessen.
Ob Sondervermögen von 100 Milliarden Euro oder Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben: Im Zuge der inneren Sicherheit wird laufend über die Unterstützung der Bundeswehr diskutiert, der Bevölkerungsschutz kommt dabei nach Ansicht von Gerda Hasselfeldt aber zu kurz. „Es gibt eine Erkenntnis der Politiker, dass die innere Sicherheit eine größere Aufmerksamkeit bekommen muss, sie ist aber noch nicht angekommen. Auch die zivile Sicherheit müsse gestärkt werden“, sagte die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee. „Ich weiß nicht, was man noch alles erleben muss.“
Die Deutschen hätten sich lange in Sicherheit gewogen, sagte Hasselfeldt. „560 Millionen Euro investierte die Bundesregierung in ihrem Haushalt 2023 in den Bevölkerungssschutz, letztes Jahr waren es noch 700 Millionen Euro“, sagte sie. „Man hat sogar noch in dieser Phase gekürzt. Das versteht kein Mensch.“ Hasselfeldt bezog sich auf den Ukraine-Krieg. „Nötig wären zwei Milliarden Euro pro Jahr, das ist nicht die Welt.“
Mehr Personal nötig
Um die Kapazitäten im Bevölkerungsschutz zu erhöhen, sind der DRK-Präsidentin zufolge neben mehr Geld auch mehr Menschen in Ehren- und Hauptamt nötig. Außerdem müssten alle Akteure besser koordiniert werden, auch bundesländerübergreifend. Das habe das Hochwasser im Ahrtal gezeigt, sagte sie.
Doch woher soll das zusätzliche Personal kommen? Die Chefin des Roten Kreuzes mit drei Millionen ehrenamtlichen Mitgliedern sieht die Lösung unter anderem in einem Allgemeinen Gesellschaftsjahr. „Diese Debatte muss geführt werden“, sagte sie. „Die Frage ist, wie man die Motivation bei den jungen Menschen dafür stärkt.“ Denn ein reiner Pflichtdienst ist Hasselfeldt zufolge „mit 17 Milliarden Euro pro Jahr eine teure Angelegenheit“. „Derzeit geben wir für den Freiwilligendienst 328 Millionen Euro aus.“
Verlogenheit bemängelt
Die DRK-Präsidentin forderte, die Bedingungen für Arbeit im Zivilschutz müssten attraktiver werden. 150 bis 400 Euro als Aufwandsentschädigung pro Monat derzeit seien ein Taschengeld. „Das ist eine Angelegenheit für diejenigen, deren Eltern es sich leisten können, die Kinder noch ein Jahr zu Hause zu lassen“, fand Hasselfeldt. Zudem sollten die Fahrtkosten erstattet werden. „Denjenigen, die danach lechzen, sollten wir bessere Bedingungen geben.“ Auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel: Immerhin bleiben gemäß Erfahrung der sozialen Organisationen diejenigen, die Bundesfreiwilligendienst leisten, entweder ehrenamtlich dabei oder sie ergreifen einen einschlägigen Beruf in diesem Bereich.
„Es ist verlogen, wenn Leute den Pflichtdienst fordern, aber die Mittel für den Freiwilligendienst kürzen“, schimpfte Hasselfeldt. Auch die ehemalige Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) plädierte für ein Allgemeines Gesellschaftsjahr, ob freiwillig oder verpflichtend. Dieses sei sowohl bei den Blaulichtorganisationen als auch im ökologischen oder sozialen Bereich nötig.
Auch Heer setzt auf Freiwillige
Die Frage nach dem Wehrpflicht-Ersatz treibt auch das Heer um. „Die Bundeswehr ist in hohem Maße von ihren Reservisten abhängig“, sagte Alfons Mais, Generalleutnant und Inspekteur des Heeres. „Wir müssen eine Voraussetzung für den Freiwilligendienst schaffen.“ Denn das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro wird nicht reichen. Die ersten Schritte wurden gemacht, wenn auch nicht immer groß genug. Mais sagte: „Wir haben uns jetzt im Heer nicht hingelegt und dann die Freigabe bekommen umzustruktrieren.“
Seit vergangenem Jahr sei man verstärkt dabei, sich auf die Landes- und Bündnisverteidigung einzustellen, sagte Mais. „Wir haben damals den Fehler gemacht, und uns nur auf Afghanistan konzentriert. So etwas sollte nicht mehr passieren“, ergänzte er. „Abschreckung wirkt nur dann, wenn sie glaubwürdig ist und mit dem nötigen Willen hinterlegt ist. Diesen Begriff der Abschreckung haben wir verloren.“
Baumarkt-Drohne als Militär-Gerät
Die Unterstützung der Wirtschaft, um mehr Sicherheit zu schaffen, hält Horst Teltschik, Architekt der Deutschen Einheit, für selbstverständlich. Kramp-Karrenbauer ergänzte, dass Wirtschaft und Sicherheit aufeinander angewiesen sind. Dabei bestehe in Deutschland eine starke Trennung zwischen Zivil und Militär. Aber: „Jede Drohne, die Sie im Baumarkt kaufen, kann militärisch genutzt werden. Daher wäre ein mehr vernetztes Denken wichtig.“ Sie hört auch die Beschwerden über die Rüstungsindustrie, kann diese aber nicht nachvollziehen: „Man kann nicht über Jahre sparen, und wenn es darauf ankommt, der Industrie sagen, dass sie zu wenig Kapazitäten hat.“